Wie nutzen wir Öffentliche Energie?
Okay, ich geb’s zu. Manchmal bin ich ein Energie-Unhold. Wenn keiner zusieht, es dunkel ist und ich die letzte Ubahn gerade noch bekommen habe, trete ich heimlich auf diese Metallplatte am Boden der Rolltreppe, dann macht es Wrrrrr und sie fährt mich hoch – ganz alleine, nur mich, und ich fühle mich wie der König der Welt. Für ungefähr einen Cent*. So viel kosten diese dreißig Sekunden öffentliche Energie einer Rolltreppe bei ca. 3,5 kW/h Verbrauch, in sauberem Strom, versteht sich.
Das Problem dabei ist ein altes und klingt ein bisschen nach Oma: „Wenn das jeder macht, ja wo kommen wir denn da hin?!“
Und nur dieses eine Mal hat sie nicht so ganz Unrecht, die imaginäre Nachkriegs-Großmutter. Wir haben wirklich komplett vergessen, dass das richtig viel Strom verbraucht, schwere Rolltreppen mit vielen (manchmal dicken) Menschen drauf anzutreiben, öffentliche Plätze zu beleuchten, oder Aufzüge die Wände hochzuziehen. Und dass dabei nicht nur viel Geld, sondern natürlich auch Ressourcen verschwinden. Dazu die Kosten für Bau, Wartung und Abnutzung…
Weil es sich eben um öffentliche Güter handelt
Wir fahren mit dem Büro-Lift mal einen Stock nach unten, mit einem Joghurt in der Hand wieder hoch, dann wieder runter, weil wir den Löffel vergessen haben (aber zum Thema Büro und Uni ein andermal mehr). Wir klicken das Licht im Treppenhaus nochmal an, auch wenn wir den Schlüssel schon in der Tür haben – und steigen wie die Lemminge kompromisslos auf jede Rolltreppe und alles, was sich sonst noch bewegt. Warum? Weil es sich eben um öffentliche Güter handelt. Ist irgendwie angenehmer, die anderen machen das ja auch und zahlen müssen wir eh alle.
Öffentliche Energie ist kostbar
Ich bin, um das kurz klarzustellen, absolut kein Gegner von Rolltreppe und Lift. Ich finde sie toll, sie sind nicht nur unabdingbar für alle, die sie wirklich brauchen, sie sind auch ein soziales Event. Wie oft habe ich schon auf einer Rolltreppe gestanden und verlegen die hinter mir stehende Person angelächelt, mich mit ihr verbrüdert, weil wieder jemand das „links-gehen-rechts-stehen-System“ nicht verstanden hat. Oder wie oft stand ich im Aufzug, nach außen waren alle ganz nonchalant, aber irgendwie hatte jeder diesen Gedanken im Kopf: Wann springe ich am besten hoch, wenn das Ding abstürzt? Es ist, als würden uns diese „stationären Öffentlichen“, wie auch rote Ampeln, eine Auszeit im stressigen Stadtleben schenken, nur dass man keine Fahrkarte braucht – komischerweise.
Wir brauchen öffentliche Energie, aber nicht immer
Kein Zweifel, dass wir diese öffentlichen Rolltreppen oder Aufzüge brauchen – aber mal ehrlich: Schneller fahren sie auf kurze Distanz nicht und die ein oder andere Treppe hat auch noch keinem Gluteus Maximus geschadet. Wieso benutzen wir sie dann so inflationär? Geht das nicht mit Weniger? Unser Umdenken muss auch genau an diesen Stellen ansetzen, wir müssen uns nicht quälen und jedem sei die ruhige Minute im Aufzug gegönnt, aber wir sollten uns klar machen, dass diese öffentlichen Dienste nicht umsonst sind, auch wenn wir nicht unmittelbar für ihre Nutzung zahlen. Wir sollten sie bewusster nutzen. Geht ganz einfach: Immer kurz vorher den Schweinehund befragen, ob man das jetzt wirklich tun muss. Wenn ja: Nochmal befragen. Wenn nein: Bewegung! Vielleicht zieht jemand ja sogar etwas Positives aus dem, dass er die Treppe nimmt, wenn der Aufzug grade nicht da ist oder die Rolltreppe stillsteht; oder dass man sich aus der Lichtschranke bewegt, wenn die Supermarkttür vor einem ständig öffnet und schließt. Es geht darum, öffentliche Energie wertzuschätzen. Sie nicht für selbstverständlich zu nehmen.
Nach vorne denken – Musik aus der Treppe
Eine clevere Idee sind auch Energie-Rückgewinnungs-Systeme im öffentlichen Raum, bei denen beispielsweise in Aufzügen, Bremsvorgängen oder Abwärtsrolltreppen das Gewicht genutzt wird, so können schon bis zu 40% der Energie wieder zurückgeleitet werden. Die Bahn in der Schweiz beispielsweise arbeitet schon mit Energierückgewinnern. Und dann gibt es noch spannende Experimente, wie die Klaviertreppe der „Fun-Theory“: Verhalten ändern durch Spaß! (Auch hierzu bald mehr). Für Eilige gibt es die Treppenrutsche und dann, moralisch etwas verwerflich, aber sicher auch wirksam: Fahrstuhl-Angst oder ein Rolltreppen-Unfallbericht.
Zum Ausgleich für mein Dasein als nächtlicher Energie-Unhold überspringe ich an anderen Tagen die Auslöser-Platte am Boden der rollenden Treppe oder wandle nur mit meinem Handydisplay bewaffnet durchs dunkle Treppenhaus, am Aufzug vorbei, nicht selten gegen eine Wand. Das ist natürlich völlig übertrieben, aber ich glaube irgendwie daran, dass so mein Energie-Karma wieder einigermaßen ins Lot kommt. Man munkelt ja, dass ein Energieanbieterwechsel zu einem Biostrom- oder Biogasanbieter wie Polarstern da auch hilft…
* Die Rechnung basiert auf dem Preis einer Rolltreppenfahrt mit Münchner Ökostrom von Polarstern. Von Thyssen-Krupp geschätzt: Motor von ca. 6,7 kW/h Leistung, davon beim Aufwärtsfahren ohne Mehrgewicht ca. die Hälfte Verbrauch, also 3,5 kW/h. Wollt ihr weiter rechnen? Wie viele Personen braucht man um von alleine abwärts zu fahren? Oder wie viel kostet ein Tag lang Aufzug fahren?