
Rettet die Bienen und Insekten – oder rette sich wer kann!

Die Insekten sterben. Massenhaft. Und mit ihnen eminent wichtige Bestäuber wie Bienen, Hummeln und Schmetterlinge. Und viele unbekannte Arten, die noch gar nicht erforscht sind. Umweltschützer:innen weltweit sprechen von einem „ökologischen Armageddon“, was sich gerade vor unserer Tür abspielt. Die Wissenschaft warnt seit Jahren vor dramatischen Folgen. Sterben die Insekten, nimmt die Biodiversität ab und Nahrungsmitteln könnten knapp werden. Halten wir das Massensterben auf und tun was für die Insekten. Schließlich sind Bienen und Co. unsere wirklich einzige Lebensgrundlage.
von Ludwig. - Lesezeit: 6 Minuten
Inhalt:
- Zahlen und Fakten zum Bienen- und Insektensterben.
- Dramatisches Insektensterben: ein Problem für die Biodiversität.
- Bestäubung – ein Milliardengeschäft, das (noch) Insekten erledigen.
- Insekten und Pestizide – eine ökologische Apokalypse.
- Was zum Schutz der Bienen passiert – und was es noch braucht.
- 7 Tipps für Bienenretter und zum Erhalt der Biodiversität.
Wenn uns die Insekten mal wieder das Frühstück vom Teller klauen – lassen wir sie! Wirklich. Ohne die Tiere stünde da nämlich erst gar nichts auf dem Tisch. Oder sagen wir: nicht viel. Ungefähr ein Achtel der für die Menschen wichtigsten pflanzlichen Agrargüter hängt in sehr hohem Maße von Bestäubern ab. Und diese Bestäuber wie Bienen und Schmetterlinge sind bedroht.
Die Biene kriegt es noch mal besonders ab: Etwa 20 % der Bienenpopulationen sterben laut Greenpeace jährlich in Europa. In Deutschland liegt die Quote je nach Region bereits bei zirka 30 %, und in China müssen vielerorts Obstbäume von Menschenhand bestäubt werden – so schlimm steht es dort um die Bienen.
In Deutschland sind rund 585 Wildbienenarten bekannt (Quelle/Stand: Wildbienen-Kataster 2018). Über 60 % davon sind in Deutschland akut bedroht laut dem Institut für Bienenkunde in Celle. Schon allein die Zahlen des Bund Naturschutz machen sehr deutlich, wie wichtig die emsigen Tiere sind: Der monetäre Wert der Bestäubung durch Honig- und Wildbienen entspricht in Deutschland etwa 2 Milliarden Euro, in Europa zirka 15 Milliarden Euro pro Jahr. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) schätzt, dass von etwa 100 Nutzpflanzenarten, die weltweit 90 % der Nahrung bereitstellen, 71 durch Bienen bestäubt werden. Doch die fleißigen Bienen sind bedroht.
Zahlen und Fakten zum Bienen- und Insektensterben.
Die Gründe für den Rückgang der Bienenpopulation sind vielfältig und sehr wahrscheinlich zum Großteil menschengemacht. Tragischerweise wirken hier gleich mehrere Faktoren zusammen: Krankheitserreger, die industrielle Landwirtschaft mit ihren Pestizideinsätzen und großflächigen Monokulturen, das Wegbrechen von Lebensräumen etwa durch Versiegelung, Luftverschmutzung und Klimawandel. Das macht es so schwierig, das Problem in den Griff zu bekommen.
- Die Westliche Honigbiene ist weltweit der wichtigste tierische Bestäuber in der Landwirtschaft. Sie ist für mehr als 90 % der kommerziellen Bestäubung verantwortlich.
- Das Bienensterben muss man differenziert sehen: Während die Zahl der von Imker:innen gehaltenen Honigbienen zuletzt zunahm, werden Wildbienen immer weniger.
- An erster Stelle ist dafür der Lebensraumverlust ursächlich u.a. die Versiegelung von Landschaftsräumen durch Ausweitung von Wohn- und Gewerbegebieten, Verbreiterung von Straßen, monotone Gartengestaltung, Flurbereinigungsmaßnahmen und vieles mehr.
- Die weltweite Anzahl kommerzieller Bienenstöcke ist laut Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO) im Zeitraum von 1961 bis 2014 um 45 % gewachsen. Regional gibt es aber große Unterschiede: Während es in Nordamerika und Europa große Verluste gibt, hat Asien eine enorme Zunahme der Honigbienen erlebt.
- Europa hat heute etwa 26,5 % weniger Honigbienenvölker als im Jahr 1961 – auch wenn die Zahl der Imker:innen und Völker zuletzt stetig zunahm.
Laut Angaben des Deutschen Imkerbunds gab es 2021 in Deutschland wieder ungefähr so viele Imkereien wie vor 60 Jahren. Damals betreute allerdings jede Imkerei durchschnittlich 11 Bienenvölker, heute sind es nur knapp 7 Völker. Auch die Mitgliederzahlen im Deutschen Imkerbund sind zuletzt gestiegen. Die Haltung von Honigbienen und Imkerei ist beliebt, am Sterben der Wildbienen ändert das aber nichts. Leider.
Die Klimakrise und ihre Auswirkungen auf Bienen.
Dass der Klimawandel für unsere Wild- und Honigbienen schwerwiegende Folgen hat, gilt als erwiesen. Übrigens sind laut einem WWF-Report auch Hummeln, ebenfalls wichtige Bestäuber, stark bedroht. Die Hummeln haben mit zunehmendem Hitzestress zu kämpfen. Sie müssten etwa in den Alpen in höhergelegene und kühlere Regionen ausweichen, wo der Lebensraum aber oft knapper ist. Prof. Dr. agr. Kaspar Bienefeld, Professor am Thaer-Institut für Agrar- und Gartenbauwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin und Direktor des Länderinstituts für Bienenkunde Brandenburg erklärt die Folgen der Klimakrise für die Bienen:
„Die Honigbiene selbst kann sich recht gut an veränderte klimatische Bedingungen anpassen, denn Bienenvölker können Temperaturen in ihrem Stock regulieren und an heißen Tagen kühl halten. Die indirekten Auswirkungen des Klimawandels auf die Honigbienen sind hingegen viel gefährlicher. Bienenvölker passen beispielsweise ihren Lebenszyklus an die Blühphasen der Pflanzen an. Da durch den Klimawandel die Blühphase früher anfängt, ist diese Synchronisation zwischen Bienenvolk und Pflanzen nicht mehr gegeben. Auch die Zusammensetzung der Pflanzenarten werden sich in den nächsten Jahrzehnten aufgrund des Klimawandels in Deutschland und besonders aber im Nordosten Deutschlands wahrscheinlich sehr stark verändern. Ob unsere heimische Honigbiene sich an diese Veränderungen anpassen kann, wird sich noch zeigen. Während Imker:innen bei Honigbienen teilweise aktiv gegensteuern können, sind die Wildbienen dem Klimawandel, aber auch allen anderen Veränderungen schutzlos ausgeliefert. Ihr Bestand geht deutlich zurück.“
Einfache Rechnung: Mehr Ökostrom ist gleich mehr Klimaschutz.
Dramatisches Insektensterben: ein Problem für die Biodiversität.
Auch andere Insekten sterben – mit gravierenden Folgen für die Biodiversität. In Deutschland gibt es laut Insektenatlas 2020 mehr als 33.300 Insektenarten. Drei Viertel aller hiesigen Tierarten zählen zu ihnen neben den Bienen sind das genauso Käfer, Schmetterlinge, Libellen, Heuschrecken, Ameisen und Fliegen. Sterben sie nach und nach aus, nimmt die Biodiversität in Deutschland und weltweit stark ab.
Der starke Rückgang von Insekten in unserer Agrarlandschaft ist mittlerweile durch viele Studien belegt. In 16 europäischen Ländern hat sich der Bestand von Schmetterlingen des Grünlands zwischen 1990 und 2015 um etwa ein Drittel verringert, schreiben Fachleute im Pestizidatlas 2022. In Deutschland, wo durch ein Tagfalter-Monitoring erst seit 2005 bundesweite Daten zu der Thematik vorliegen, ist dieser negative Trend selbst über kürzere Zeiträume sichtbar. Auch die Roten Listen des Bundesamtes für Naturschutz zeigen einen deutlichen Rückgang von Insekten.
Biodiversität – warum wir sie erhalten müssenBestäubung – ein Milliardengeschäft, das (noch) Insekten erledigen.
Warum das Sterben der Insekten für die Menschheit so dramatisch ist, zeigt sich bei der Bestäubungsleistung der Insekten. Ungefähr ein Achtel der für die Menschen wichtigsten pflanzlichen Agrargüter hängt in sehr hohem Maße von Bestäubern ab, wie aus dem Insektenatlas 2020 der Heinrich-Böll-Stiftung und dem Naturschutzbund BUND hervorgeht. Und auch für viele pflanzliche Medikamente ist die Bestäubung von Pflanzen wichtig. Rechnet man diese Bestäubungsleistung in monetäre Ernteerträge um, wird der weltweite Nutzen von Insekten für die Landwirtschaft monetär greifbar.
Insekten sind Teil natürlicher Symbiosen.
Insekten bestäuben nicht nur Pflanzen, sie dienen auch als Schädlingsbekämpfer und Nahrungsgrundlage für andere Tiere. Neben Nützlingen gibt es auch Schädlinge unter den Insekten. Viele Arten wie Schmetterlingsraupen ernähren sich zum Beispiel von Pflanzen und sind in der Landwirtschaft nicht gern gesehen. Die Folge: Es kommt zum Einsatz von Insektiziden.
Folge des Insektensterbens: Nahrungsmittel werden knapp.
Für das Bienen- und Insektensterben gibt es viele Ursachen mit weitreichenden Folgen. Verschwinden die Tiere weiter, sieht's mager aus in unseren Supermarkt-Regalen. Erst 2018 hat eine Supermarktkette mit einer Aktion darauf aufmerksam gemacht: Alle Waren, die von der Bestäubung durch Bienen und Co. abhängig sind, wurden aussortiert – etwa die Hälfte des Sortiments. Nicht nur das meiste Obst war verschwunden, auch Kakao, Kaffee, Senf, Pflanzenöl, Süßigkeiten wie Schokolade und Gummibärchen. Sogar Hygieneartikel, die Pflanzenextrakte enthalten, waren weg und viele Regale leer.
Insekten und Pestizide – eine ökologische Apokalypse.
Der künstliche Kampf gegen Insekten ist in vollem Gange. Zwar kommenInsektizide immer zielgerichteter zum Einsatz, aber nach wie vor sind sie eine große Gefahr für viele Arten und treffen längst nicht nur Schädlinge.
Glücklicherweise sind einige Pestizide schon verboten worden. Allerdings unterstreichen Untersuchungen der Universität Landau, dass es für den Schutz der Biodiversität nicht ausreicht, die Menge an eingesetzten Pestiziden zu reduzieren. Ausschlaggebend sei viel mehr, wie giftig die Mittel für bestimmte Tiere und Pflanzen sind. Die sogenannte Toxizität hat ein Team der Universität untersucht und festgestellt, dass Pestizide schon in sehr kleinen Mengen die Biodiversität extrem schädigen können.
Insekten in Naturschutzgebieten stark mit Pestiziden belastet.
Selbst in Naturschutzgebieten sind Insekten stark mit Pestiziden belastet. Das zeigt eine Studie unter Beteiligung der Universität Koblenz-Landau. Im Schnitt wurden bei den untersuchten Tieren 16 unterschiedlichen Pestizide erkannt. Die Folge ist ein Artensterben: In den vergangenen drei Jahrzehnten sind demnach schon mehr als 75 % der Biomasse an Insekten in deutschen Naturschutzgebieten verschwunden.
Neonikotinoide, die zu den Insektiziden gehören, weisen gegenüber bestäubenden Insekten wie zum Beispiel Bienen eine sehr hohe Toxizität auf. In der EU sind vier von fünf Wirkstoffen nur noch mit Ausnahmegenehmigung erlaubt, wie aus dem Pestizidatlas 2022 hervorgeht. Bienen und andere bestäubende Insekten können den Wirkstoffen über verschiedene Pfade ausgesetzt sein – zum Beispiel können Pollen und Nektar der behandelten Pflanzen Pestizidrückstände enthalten. Diese finden sich oft auch im Honig wieder, das ergaben Stichproben des BUND. Der Europäische Gerichtshof hat im Mai 2021 Neonikotinoide verboten. Bis die Folgen des gefährlichen Pflanzenschutzmittels nicht mehr nachwirken, wird es aber noch eine ganze Weile dauern.
Darum müssen wir den Pestizideinsatz verringern.
Studienergebnisse des Julius Kühn-Instituts (JKI) von 2021 zeigen den Einfluss von Pestizidanwendungen auf die biologische Vielfalt. Das Institut hat langjährig konventionell bewirtschaftete Äcker mit langjährig ökologisch bewirtschafteten Äckern hinsichtlich der auftretenden Wildpflanzenarten verglichen. Auch Flächen, auf denen noch nie chemische Pestizide eingesetzt wurden, fanden Eingang in die Studie des JKI. Die Unterschiede waren enorm: Bei der floristischen Biodiversität (Artenvielfalt, Deckungsgrad, blühenden Arten und Blühintensität) ergab sich ein Verhältnis von 100 zu 53 zu 3 – von nie behandelten, zu ökologischen zu konventionellen Flächen. Eine Reduktion der Mittel auf unseren Feldern ist bitternötig.
Was zum Schutz der Bienen passiert – und was es noch braucht.
Das Bienen-SOS wird inzwischen erhört: Immer mehr Bau- und Gartenmärkte nehmen giftige Pflanzenschutzmittel aus dem Sortiment, große Supermarktketten kennzeichnen bienenfreundliche Produkte oder investieren in Blühflächen, und 2021 hat die EU den Einsatz von kritischen Insektiziden aus der Familie der Neonikotinoide für den Landbau verboten. Allerdings: nur auf massiven Druck durch die Bevölkerung!
Forscher:innen der Universität Harvard haben bereits Roboter-Bienen entwickelt, quasi kleine Minidrohnen, die die Bestäubung übernehmen sollen. Doch die Bestäubung per „RoboBee“ kann nicht die Lösung sein. Genauso wie das Bestäuben per Hand, wie es in China schon geschieht.
Eine Genbank für Honigbienen.
Auch unsere Honigbienen sind gefährdet, vor allem durch die Varroamilbe. Die einst in Deutschland heimische Dunkle Honigbiene ist fast ausgerottet und auch die genetische Vielfalt der häufig gezüchteten Kärntner Honigbiene geht verloren. Wissenschaftler:innen legen bereits eine Notfallreserve für die Zukunft an – eine Genbank für Honigbienen. Sie soll die innerartliche Vielfalt für die Bienenzucht sichern und diese fit machen für den Klimawandel.
Lebensräume schaffen, Flächenversigelung stoppen.
Das sind natürlich alles technische Maßnahmen, die oftmals nur die Symptome bekämpfen. Wir brauchen einen Wandel hin zu mehr ökologischer Landwirtschaft, in der keine Gifte mehr eingesetzt werden und die Kulturlandschaft wieder diversifizierter ist. Echt jetzt. Wiesen und Felder sehen nicht nur schöner aus, wenn es blüht und Büsche und Hecken herumstehen. Sie bieten auch einen besseren Lebensraum für Insekten wie Bienen, Schmetterlinge und Co.. Und natürlich müssen wir die Flächenversiegelung stoppen.
7 Tipps für Bienenretter und zum Erhalt der Biodiversität.
Wir müssen handeln, damit wir unsere Bienen, aber auch die Biodiversität erhalten. Das Schöne ist, dass man den Bienen mit wenig Aufwand schon viel helfen kann. Wer den Bienenschutz nicht nur der Politik überlassen will, kann privat viel tun. Unsere 7 Tipps:
- Pflanze, was Bienen lieben! Zum Beispiel Sonnenblumen, Kornblumen, Vanilleblumen, Zauberschnee, Ziersalbei oder Kräuter wie Thymian, Minze und Basilikum. Bienenfreundliche Pflanzen für den Herbst sind etwa Eisenhut, Herbstzeitlose, Blutweiderich, Roter Sonnenhut, Scheinsonnenhut und Schmetterlingsstrauch. Tipp: Finde passende Pflanzen über die Webseite Bienennutzgarten.
- Übernehme eine Bienenpatenschaft – zum Beispiel bei BeeGood. Als kleinen Bonus erhältst du jährlich ein Glas Honig.
- Kaufe Lebensmittel aus biologischem Anbau. Giftige Pflanzenschutzmittel, die Insekten schaden, werden hier nicht eingesetzt.
- Kaufe Obst und Gemüse bei Genossenschaften oder Biolebensmittelherstellern, die auf Vielfalt statt Monokultur setzen.
- Verzichte auf giftige Pestizide im eigenen Garten.
- Bau oder kauf ein Bienenhotel für den Garten, um Wildbienen einen Ort zum Nisten zu geben. Auch große Supermarktketten bieten inzwischen Bienenhotels an.
- Bestelle Ökostrom oder -gas! Auch die globale Erwärmung setzt den Insekten stark zu. Dabei geht der Wechsel zu sauberer Energie so schnell wie Blumen gießen. Wirklich.