Wasserstoff für Autos, Flugzeuge, Schiffe und Lkws: Was es gibt und was noch kommt.

Elektrisch betriebene Lkws gibt es schon und für 2020/21 sind weltweit einige neue Modelle angekündigt. Auch bei den Flugzeugen wurde Ende 2019 erfolgreich das erste Verkehrsflugzeug mit Elektroantrieb getestet. Bei den Schiffen wird der Elektroantrieb auf Fähren und bei Binnenschiffen bereits genutzt. Die vielversprechende Alternative gerade für meist längere Strecken soll jedoch anders funktionieren: mit Wasserstoff. Er gilt als sinnvolle Ergänzung des Energiemixes und der Antriebe. Wie Wasserstoff bereits eingesetzt wird und was es für eine wirklich grüne Wasserstoffversorgung braucht, das liest du hier.

von Tabatha - Lesezeit: 7 Minuten

Flugzeug, Industrie und Co.: Wofür wir Wasserstoff brauchen.

Wasserstoff als Antrieb wird heiß diskutiert und häufig als „Schlüsseltechnologie“ bezeichnet. Die Bundesregierung hat in ihrer Nationalen Wasserstoffstrategie die Pläne festgezurrt, wie Deutschland laut Peter Altmaier, Bundesminister für Wirtschaft und Energie, “bei Wasserstofftechnologien die Nummer 1 in der Welt” werden soll.

Bis die Wasserstofftechnologie im Alltag verbreitet ist, sind noch einige Hürden zu nehmen: Von den hohen Kosten, über den geringen Wirkungsgrad und entsprechend hohem Energiebedarf zum Betrieb bis hin zur fehlenden Infrastruktur.

Während die Wasserstofftechnologie im Pkw-Bereich noch nicht wirklich wettbewerbsfähig ist, sieht es in anderen Einsatzfeldern vielversprechender aus. Gerade dort, wo Antriebsarten wie etwa die Elektromobilität an ihre Grenzen stoßen, kann Wasserstoff die bessere Lösung sein. Dazu gehören besonders Langstrecken und Schwerlast-Verkehr.

Einsatz von Wasserstoff im Schiffverkehr.

Etwa 90 % des weltweiten Warenverkehrs werden per Schiff transportiert. Die Kritik: Schiffsmotoren verursachen zwar wenig CO₂, doch bei ihrem Betrieb werden Schwefeloxide, Feinstaub, Stickoxide und Ruß ausgestoßen. Ruß soll sogar einer der stärksten Klimatreiber sein.

Damit Schiffe in Zukunft umweltfreundlich fahren, gibt es unter anderem Experimente mit Wasserstoff etwa von der Technischen Uni Berlin. Die benötigten Wasserstoff-Pakete reichen etwa für 300 Kilometer und können laut den Forschern in den Häfen ausgetauscht werden.

Ein weiteres Experiment mit etwas anderer Technik stammt von Julian Jepsen vom Helmholtz-Zentrum in Geesthacht: „Was wir hier einsetzen, sind so genannte Metallhydride. Das kann man sich vorstellen wie ein Pulver, ein metallisches Pulver. Und dieses Pulver saugt den Wasserstoff auf wie ein Schwamm, sobald es mit Wasserstoff in Berührung kommt.“

Auch in der Wirtschaft gibt es konkrete Tests und Kooperationen rund um Wasserstoff. So hat der Energie- und Automatisierungstechnik-Konzern ABB eine Absichtserklärung mit Hydrogène de France (HDF) zur gemeinsamen Herstellung von Megawatt-Brennstoffzellensystemen für den Antrieb von Überseeschiffen unterzeichnet.

Ähnliche Projekte gibt es inzwischen auf der ganzen Welt. Die Reederei Aida Cruises hat vor, ab 2021 ein Kreuzfahrtschiff mit Brennstoffzellen zu testen. Der Wasserstoff, mit dem die Brennstoffzelle betrieben wird, stammt dabei aus Methanol.

Einsatz von Wasserstoff für Lkws.

Auch Lkws müssen dringend umweltfreundlicher werden: Von 2002 bis 2016 konnte ihr CO₂-Ausstoß nur um 0,2 % jährlich gesenkt werden. Das Ziel ist jedoch eine Senkung um 15 % bis 2025 bzw. um 30 % bis 2030 – sonst wird es teuer. Puh.

Klar fahren einige Lkws schon mit Elektroantrieb. Doch für den Schwerlastverkehr sind schwere Elektro-Batterien oft keine realistische Option, da sie die Nutzlast einschränken und extrem teuer sind. Deshalb wird auch bei Lkws lieber auf Wasserstoff gesetzt: Im Jahr 2017 wurde der erste Brennstoffzellen-Lkw zugelassen. Wie so oft, ist eine Mischung verschiedener Antriebe im Gespräch:

"Wir sehen im Nutzfahrzeugbereich mittelfristig sowohl rein elektrische Fahrzeuge als auch Modelle mit Brennstoffzellen.“ – Wolfgang Bernhart von der Beratung Roland Berger.

Elektro, CNG, LPG und Co.: Diese alternativen Antriebe gibt es noch.

Auch immer mehr große Konzerne investieren in die Wasserstofftechnologie. Daimler kündigte an, Ende 2020 gemeinsam mit Volvo ein Joint Venture zu gründen. Zusammen sollen serienmäßige Lkws mit Brennstoffzelle geplant und produziert werden. In den späten 2020er-Jahren sollen die Lkws dann schon auf den Straßen unterwegs sein. Bis 2030 will Daimler auf 15 % Wasserstoff-Lkws umsteigen. Auch Toyota und Hyundai treiben die Wasserstoff-Technologie für Trucks bereits voran.

Das Start-Up „Nicola“ (genau, benannt nach dem großen Erfinder Nicola Tesla) plant unter anderem Lkws mit Brennstoffzellen, die bis zu 1.100 Kilometer weit kommen. Die Entwicklung der Aktien des Unternehmens spricht für sich – wieder mal ein Zeichen dafür, wie groß der Hype um Wasserstoff gerade ist.

Einsatz von Wasserstoff im Flugverkehr.

Wenn es um deinen CO₂-Fußabdruck geht, kommt unweigerlich die Frage auf, wie viel du fliegst. Schließlich verursachst du beim Fliegen pro Kilometer die mit Abstand meisten Treibhausgase: genauer gesagt sind es 7- bis 8-mal so viel. Zwar wird schon heute mit Effizienz und CO₂-sparenden Maßnahmen versucht, das Fliegen umweltfreundlicher zu machen, doch der weltweite Flugverkehr wird Prognosen zufolge weiter um 5 % jährlich wachsen. Es muss also mehr getan werden, um die Treibhausgasemissionen langfristig zu verringern.

Josef Kallo vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) forscht seit 1998 an Brennstoffzellen und seit 2006 an ihrem Einsatz im Flugverkehr. Bis 2030 rechnet der Forscher mit der Serienreife für kleinere Flugzeuge. Für größere Maschinen fehlt es allerdings noch an Budget. Ein weiteres Problem ist die geringe Leistungsfähigkeit der Brennstoffzellen – besonders für lange Flüge ist das noch nicht rentabel.

Das neue Projekt EXACT des DLR befasst sich damit, wie innerhalb der nächsten 20 Jahre die nötige Technologie für größere Flugzeuge mit einer Reichweite von 2.000 Kilometern umgesetzt werden kann. Ab 2020 sollen 45 Wissenschaftler innerhalb von vier Jahren in Konzeptstudien konkrete Lösungen liefern.

Wasserstoff in der energieintensiven Industrie.

Nicht nur in der Mobilität wird mit Wasserstoff geforscht. Besonders hohe CO₂-Emissionen hat beispielsweise die Stahlbranche: 56 Millionen Tonnen im Jahr und 6 % der Treibhausgasemissionen Deutschlands. Für die energieintensive Industrie ist Wasserstoff daher möglicherweise DIE Lösung.

"Für die Industrie gibt es keine Alternative zu Power to X" – Michael Sterner, Professor für Energiespeicher und -systeme an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg.

Der Stahlkonzern Salzgitter AG arbeitet beispielsweise bereits an einem Standort mit Wasserstoff aus einem Elektrolyseur – mehr sollen folgen. Doch noch fehlt es laut Volker Hille, Leiter Corporate Technology bei der Salzgitter AG, an finanziellen Anreizen: "Technisch gesehen könnten wir schon morgen damit anfangen, unsere Produktion auf fast komplett CO₂-freie Verfahren umzustellen, weil die nötigen Technologien bereits etabliert sind. Dafür müssen aber die Rahmenbedingungen stimmen." Auch fehlt es an ausreichend Ökostrom für die Elektrolyse. Kommt der aus dem Ausland, sorgt das für Abhängigkeiten.

Heizen mit Wasserstoff.

Und was ist mit Brennstoffzellen-Heizungen? Die gibt es ja bereits. Klimafreundlich werden sie jedoch erst, wenn der Wasserstoff dafür auch wirklich grün hergestellt wird. Für solche Heizung gibt es übrigens Förderungen durch die KfW.

Schon gewusst? Aus Wasserstoff kann auch synthetisch Gas und Öl hergestellt werden. Damit kann natürlich auch geheizt werden – und zwar klimaneutral:

"Wenn wir wie im Green Deal der EU vorgesehen die CO₂-Emissionen bis 2030 um 50 bis 55 Prozent senken wollen, reicht es nicht aus, alte Gas- und Ölheizungen zu modernisieren. Wir brauchen vielmehr auch einen anderen Energie- und Technologiemix im Wärmemarkt" – Andreas Lücke, Hauptgeschäftsführer des Heiztechnik-Verbandes BDH.

Heute wird in kleinen Mengen bereits synthetisches Gas aus Wasserstoff in die Netze eingespeist. Doch dabei geht etwa ein Fünftel der Energie verloren. Die Beimischung von Wasserstoff zu konventionellem Erdgas würde dem entgegenwirken, allerdings kann das bei einem zu hohen Anteil auch zu technischen Schäden führen.

Du siehst schon: Momentan wird in den meisten Bereichen eher noch in Pilotprojekten geforscht. Die „Schlüsseltechnologie“ Wasserstoff ist im Moment noch kein vollwertiger Ersatz. Aber was bräuchte es, um das zu ändern?

Der Wasserstoff-Durchbruch: Diese Hürden gilt es zu bewältigen.

Einmal Wasserstoff – aber bitte in grün.

Entscheidend beim Wasserstoff ist – wie bei allen Antrieben – die grüne Herstellung. Wird Wasserstoff aus fossilen Quellen gewonnen, was momentan leider mehrheitlich der Fall ist, ist seine Klimaschutzwirkung fragwürdig. Momentan wird Wasserstoff selten etwa aus Solar- und Windenergie, sondern zu 95 % aus Erdgas gewonnen.

Um mehr grünen Wasserstoff zu erzeugen, müsste der Ausbau erneuerbarer Energien stärker gefördert werden. Schon jetzt wird von einer drohenden „Ökostromlücke” gesprochen. Die wird durch den steigenden Bedarf an Wasserstoff nicht geringer:

Ein mauer Ausblick: Für den Wasserstoff-Durchbruch fehlt es an erneuerbarer Energie in Deutschland.

>>> Woher unsere Energie in Zukunft kommen kann.

„Um den zukünftigen Bedarf zu decken, wird der überwiegende Teil der Wasserstoffnachfrage aber importiert werden müssen und kann nicht nur mit der lokalen Erzeugung von grünem Wasserstoff bedient werden.“ – Nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung.

Verluste bei der Herstellung sind hoch.

Viele Forscher stoßen bei der Herstellung von Wasserstoff an die Grenzen: Aktuell ist die Erzeugung mit recht hohen Verlusten verbunden. Der Wirkungsgrad liegt bei etwa 60 bis 70 %. Das bedeutet, dass entsprechend viel Strom benötigt wird, um Wasserstoff herzustellen. Wird der Wasserstoff wieder in Strom umgewandelt, gehen erneut 40 bis 65 % der Energie in Wärme über. Am Ende bleibt nur noch knapp ein Drittel der Energie übrig. Wenn also drei Kilowattstunden Strom eingesetzt wurden, bleibt am Ende nur eine Kilowattstunde davon. Die entstehende Abwärme sollte deshalb idealerweise ebenfalls genutzt werden, um den Prozess möglichst nachhaltig zu gestalten.

Der Klotz am Bein: Hohe Kosten in vielerlei Hinsicht.

Auch die Kosten sind ein Problem. Ein Elektrolyseur erfordert hohe Investitionskosten und auch Abgaben, Umlagen und Steuern fallen ins Gewicht.

Den hohen Investitionskosten will die Bundesregierung mit verschiedenen Förderprogrammen entgegenwirken. Genauer zu finden sind solche Förderungen in der Nationalen Wasserstoffstrategie. Betriebskostenzuschüsse sollen mit einem neuen Pilotprogramm für Carbon Contracts for Difference (CfD) insbesondere für die Stahl- und Chemie-Industrie eingedämmt werden.

Auch in die Forschung soll weiter investiert werden, etwa 25 Millionen Euro für Wasserstofftechnologien im Luftfahrtforschungsprogramm. Zudem soll geprüft werden, ob Steuern, Abgaben und Umlagen für Strom gemindert werden können, der zur Herstellung von grünem Wasserstoff dient. Dabei geht es unter anderem um die EEG-Umlage.

Sichere Speicherung von Wasserstoff.

Wasserstoff kann als Gas, in flüssiger Form oder in chemischen Verbindungen (Metallhydriden) gespeichert werden. Dabei ist unter anderem der Druck eine wichtige Komponente. Wichtig bei der Speicherung von Wasserstoff sind daher nicht nur einheitliche Standards, sondern insbesondere auch Sicherheitsthemen, heißt es in der Nationalen Wasserstoffstrategie. Denn „Negativereignisse und Unfälle können die Akzeptanz der Wasserstofftechnologie gefährden“.

Dringend nötig: Aufbau der Infrastruktur.

Wer Wasserstoff tanken will, hat es heute nicht leicht. Wasserstoff-Tankstellen sind nur wenig verbreitet. Im Juni 2020 waren es knapp 85 – immerhin 100 sollen es bis zum Jahresende sein. Zum Vergleich: Klassische Tankstellen gibt es ganze 14.400 in Deutschland.

Steigt der Wasserstoff-Bedarf, muss nachgerüstet werden, damit sich die Technik wirklich durchsetzen kann. In der Nationalen Wasserstoffstrategie heißt es, dass die Transport- und Verteilinfrastruktur weiterentwickelt wird. Dazu gehört nicht nur der Aus- und Zubau von Wasserstoffnetzen, sondern auch die Anpassung von bestehender Gasinfrastruktur:

„Zum Beispiel werden vorhandene Fernleitungs-Erdgas-Infrastrukturen, die nicht länger für den Erdgastransport benötigt werden (etwa L-Gas), auf ihre Eignung für die Weiterentwicklung zu reinen Wasserstoffinfrastrukturen geprüft oder die Möglichkeiten der Sicherstellung der Wasserstoffverträglichkeit vorhandener oder modernisierter Gasinfrastrukturen untersucht.“ – Nationale Wasserstoffstrategie.

Was ist Wasserstoff nochmal genau?

Alle Welt redet von Wasserstoff. Doch was ist das eigentlich nochmal genau? Der Begriff, den du wahrscheinlich schon öfter gelesen hast, heißt: "Power to Gas". Wasserstoff wird mithilfe von Strom aus Wasser gewonnen. Das geschieht durch eine sogenannte Elektrolyse, bei der auch Wärme erzeugt wird. Der gewonnene Wasserstoff wird als Energieträger eingesetzt. Und es ermöglicht, Strom auf diese Weise im Gasnetz zu speichern.

Übrigens: Die Wasserstoff-Technologie ist gar nicht neu. Erfunden wurde sie sogar schon 1838, war aber schnell vergessen. Seit den 50er und 60er Jahren wurde Wasserstoff in der Raumfahrt genutzt. 1994 präsentierte Mercedes den ersten Brennstoffzellen-Prototyp für den Fahrzeugbereich. Heute geht es darum, die Technik auf breiter Ebene für die Energiewende im Verkehr und in der Industrie einzusetzen.

Wasserstoff im Esslinger Quartier: für Wärme und Mobilität.

Warum wir die Herausforderungen beim Thema Wasserstoff so gut kennen? Bei unserem Mieterstromprojekt in Esslingen arbeiten wir bereits damit. Mithilfe von überschüssigem Solarstrom wird dort in einem Elektrolyseur grüner Wasserstoff erzeugt, der danach für Tankstellen und Industrie zur Verfügung steht. Der Clou: Auch die entstandene Abwärme nutzen wir – um den Bedarf der Gebäude zu decken.

Mehr über das Quartiers-Projekt erfahren.