
Wie eine Polarstern-Mitarbeiterin den Klimawandel in ihrem Geburtsland Ecuador erlebt

Polarstern-Mitarbeiterin Alejandra beobachtet die Auswirkungen des Klimawandels in ihrem Geburtsland Ecuador. Ihr Fazit: Gut, wenn man den Klimawandel wie bei uns mit einem Energiewechsel beeinflussen kann. Schlecht, wenn man die Chance links liegen lässt.
von Alejandra. - Lesezeit: 2 Minuten
Leben auf dem Vulkan.
Seit Monaten ist der Tungurahua still. Keine Rauchwolke, kein Ascheregen, nicht mal ein Fünkchen Lava ist zu sehen. Die Einwohner hier sind aber nicht erleichtert, sie sind besorgt. Sie hoffen, dass der Vulkan jeden Tag wieder aktiv wird, denn das bringt Touristen. Angst vorm Vulkan haben die Ansässigen nicht. Zumindest nicht die in der Runtun-Zone, wo unser Hotel liegt. Denn Runtun heißt auf Quechua, der Landessprache: Festung. Der Ort wurde von den Ureinwohnern gezielt ausgesucht. Er soll der sicherste sein, falls der Vulkan Lava spuckt. Vor Kurzem wurde das sogar wissenschaftlich bestätigt.
Vorm Klimawandel schützt keine Festung.
Inzwischen hat sich hier eine Community herausgebildet, die sehr viel Acht auf Natur und Mensch gibt. Die Menschen verzichten auf Plastik und trennen ihren Müll, obwohl es kein Gesetz gibt, das sie dazu verpflichtet. Die meisten Produkte, die sie zum Kochen verwenden, werden direkt vor Ort angebaut und sind bio. Die Tiere behandeln sie mit großem Respekt. Zum Beispiel laufen die Hühner frei herum und haben ihre Nester in den Bäumen. Kein Stall. Kein Käfig. Es tut sich etwas im Umweltschutz. Denn die "Festung" mag vor einem Vulkanausbruch schützen – aber nicht vor Umweltzerstörung und Klimawandel.
Die Kinder dürfen nicht raus.
Tatsächlich ist der Klimawandel inzwischen die größte Sorge der Menschen in Ecuador. In den Nachrichten ist das Wetter nebensächlich – es geht um die aktuellen UV-Werte. Wenn sie besonders hoch sind, dürfen die Kinder in manchen Kindergärten nicht raus ans Tageslicht. Eine Erzieherin erzählte mir, dass sie nur so die Kinder garantiert vor den Strahlen schützen könnten. Denn offizielle Angaben von der Regierung gibt es nicht. Dafür kursieren viele Infos anderer Quellen in der Gesellschaft: Zum Beispiel, dass die WHO die Werte als extrem schädlich einstuft und die Regierung auffordert, an Tagen mit hohen UV-Werten besondere Schutzmaßnahmen zu treffen. Schulfrei geben, etwa. Aber wie wird das in ein paar Jahren sein? Man kann ja nicht immer schulfrei geben.
Irgendwas stimmt nicht mehr.
In Ecuador hatten wir schon immer ein sehr wechselhaftes Tagesklima. Aber in den letzten Jahren ist es viel extremer geworden. Die Menschen spüren, dass irgendwas nicht stimmt. Aber wenn ich die Leute hier frage, wie sie zu erneuerbaren Energien stehen, antworten sie: „ Das ist zu teuer für uns, unbezahlbar!“ Und sie haben Recht: Hier in Ecuador haben die Menschen keine Wahl. Sie werden von der Regierung mit Strom versorgt. Sie können weder Ihren Stromversorger wählen noch bestimmen, wie der Strom erzeugt werden soll. Sie sind auf das gute Judgement des Staates angewiesen. Eine halbwegs realisierbare Alternative für die Bürger wären Solaranlagen. Aber die wenigen Leute, die Photovoltaikanlagen besitzen, mussten tausende Dollars investieren – ohne Zuschüsse. Für die "normalen" Bürger ist Solarenergie ein unerfüllbarer Wunsch.
Wer den Klimawandel beeinflussen kann – und wer nicht.
Es war für mich schon immer sehr schwierig, meiner Oma und anderen älteren Familienmitgliedern zu erklären, was ich beruflich mache. Ich sagte dann, ich arbeite "Was mit Internet". „Aaah“ – war dann die gutmütige Reaktion. Bei diesem Besuch fragte mich meine Oma wieder: „Wie geht's dir, was arbeitest du gerade?“ Ich dachte, diesmal hätte ich eine Antwort, mit der sie zufrieden sein wird: „Ich arbeite bei einem Ökoenergieversoger“, antwortete ich. Leider konnte sie damit auch nicht viel anfangen. Wie auch. Die Wahl für erneuerbare Energie gibt es für die Menschen in Ecuador nicht. Also spielt auch das Wort Ökoenergieversorger keine Rolle.
Komisch nicht? Die Menschen, die den Klimawandel am stärksten zu spüren bekommen, können am wenigsten ausrichten. Die ihn am wenigsten abkriegen – wir – können ihn am stärksten beeinflussen. Nach meinem Urlaub in der alten Heimat weiß ich wieder zu schätzen, wie toll es ist, diese Chance zu haben. Und wie verschenkt, wenn man sie links liegen lässt. 2018 war das Jahr mit dem höchsten CO2-Ausstoß aller Zeiten. Wir können müssen etwas unternehmen.